Henrik Pabst ist seit März 2020 Chief Content Officer sowie Geschäftsführer der Seven.One Entertainment Group und verantwortet in dieser Position die Weiterentwicklung und Neustrukturierung des gesamten Inhalte-Angebots der Sendergruppe für Zuschauer und Konsumenten auf allen Plattformen. Seit zehn Jahren ist Pabst in verschiedenen Funktionen für ProSiebenSat.1 tätig, unter anderem war er Geschäftsführer des Programmvertriebsarms Red Arrow Studios International.
Die Seven.One Entertainment Group setzt immer stärker auf lokale Eigenproduktionen, Live-Programme und den Ausbau relevanter Inhalte. Wie hat sich das Programmangebot seitdem verändert?
Wir stehen im Wettbewerb mit unzähligen Inhalte-Anbietern in der linearen und digitalen Welt. Deshalb können wir unsere Zuschauer und User langfristig nur mit eigenen Inhalten überzeugen, die sie so nur auf unseren Sendern und digitalen Plattformen finden. Dafür brauchen wir den richtigen Programm- und Genre-Mix. Die dritte Staffel von „The Masked Singer” hat im Herbst 2020 erneut gezeigt, wie gut unsere Strategie der Live- und Lokalinhalte funktioniert: Das Staffel-Finale hatte einen Marktanteil von 28,8 Prozent bei den 14- bis 49-jährigen Zuschauern. Die finale Demaskierung haben sogar 51,3 Prozent verfolgt. Mit solchen Show-Highlights und vielen anderen erfolgreichen Formaten haben wir in den vergangenen Monaten immer wieder bewiesen, dass diese Art von Entertainment unsere Kernkompetenz ist. Zudem werden wir auch in Krisenzeiten unserer Verantwortung als Medienunternehmen mehr als gerecht – mit kurzfristig ins Programm integrierten Corona-Sendungen ebenso wie mit Formaten wie Joko und Klaas‘ aufsehenerregende 15 Minuten – etwa zur Flüchtlingsthematik oder Gewalt gegen Frauen – und Thilo Mischkes Dokumentation „Rechts. Deutsch. Radikal.“. Hier zeigen wir , dass wir mit klarer Haltung viele wichtige und gesellschaftlich relevante Themen besetzen können. Live, lokal und relevant – diese Marschrichtung werden wir weiterverfolgen. Ebenfalls ausbauen und weiterverfolgen werden wir das Thema Sport: Ganz besonders freue ich mich auf das einzige Free-TV-Paket der Bundesliga, das wir uns für SAT.1 ab Sommer 2021 gesichert haben.
Welche Rolle spielt das sogenannte „Windowing“ in dieser Content-Strategie?
Unter Windowing verstehen wir die plattformübergreifende Planung des Angebots unserer Programme. Darin berücksichtigen wir sowohl lineare Kanäle wie beispielsweise unsere Free-TV-Sender als auch non-lineare Kanäle wie unsere Senderwebsites, Joyn oder aber auch externe Plattformen wie YouTube oder Facebook. Und auch hier ist „The Masked Singer“ ein perfektes Beispiel: Zusätzlich zu den starken Reichweiten auf ProSieben haben wir eine umfassende digitale Fan-Welt rund um das Format gebaut, die den Usern auf sämtlichen Plattformen exklusive Inhalte und Möglichkeiten zur Interaktion bietet. Mit Erfolg: Allein über diese Fan-Welten wurden 2020 mehr als 9 Mio Stimmen rund um die Show abgegeben. Das zeigt: Wir haben hier den perfekten Mix, damit wir unseren Zuschauern einen möglichst einfachen und individuellen Zugang zu unseren Inhalten bieten können. Unser Anspruch ist klar: Für all unsere Inhalte stellen wir immer die passgenaue Plattform zur Verfügung. Häufig nutzen wir alle zur Verfügung stehenden Plattformen, wenn uns das die bestmögliche Vermarktung und Monetarisierung bietet. Lineare Ausstrahlung und On-Demand-Angebot gehen dabei Hand in Hand. Künftig werden wir unsere Senderseiten, die dazugehörigen Fan-Welten, Joyn und Drittplattformen noch weiter stärken, um unsere digitale Reichweite auszubauen. Und smartes Windowing ist hierzu der Schlüssel.
Das konzerneigene Produktions- und Vertriebshaus Red Arrow Studios gehört seit Januar 2021 zum Entertainment-Segment der Gruppe. Inwiefern profitiert die Gruppe von dieser engeren Anbindung?
Die Red Arrow Studios als erfolgreiches internationales Content-Produktions- und Vertriebsunternehmen spielt für uns eine sehr wichtige Rolle, da es uns Zugriff auf internationale Programminhalte verschafft, die wir dann lokal für unseren deutschsprachigen TV-Markt umsetzen können. Mit Eigenproduktionen schaffen wir passgenauen Content für unsere Zielgruppen und entwickeln die Alleinstellungsmerkmale, die wir im Markt brauchen. 2020 haben wir rund eine Milliarde Euro in Programm investiert, davon über die Hälfte in lokalen Content. In vielen Fällen ist es daher strategisch sinnvoll, dass wir auf die Programm-Expertise innerhalb der Gruppe setzen. Künftig wollen wir noch enger zusammenarbeiten. Unsere deutsche Red Arrow-Tochter Redseven Entertainment setzt seit vielen Jahren erfolgreiche Formate aus dem Red Arrow-Netzwerk für uns um, darunter „Hochzeit auf den ersten Blick“ und „The Taste“.
Als Chief Distribution Officer und Geschäftsführerin der Seven.One Entertainment Group verantwortet Nicole Agudo Berbel die Bereiche Distribution und Pay TV. In dieser Rolle sorgt sie im Wesentlichen dafür, dass unsere Inhalte die Zuschauer über die zahlreichen Distributionsplattformen erreichen. In den vergangenen Jahren hat sie bei ProSiebenSat.1 unter anderem erfolgreich neue, digitale Produkte und Geschäftsmodelle für das gesamte Free- und Pay TV-Portfolio über alle Distributionswege hinweg auf- und ausgebaut und damit einen wesentlichen Umsatz- und Ergebnisbeitrag für die Gruppe etabliert.
Zuschauer nutzen immer häufiger eine Vielzahl von Medien parallel. Wie erreichen wir unsere Zielgruppen weiterhin effektiv?
Wir sind mit unseren Inhalten dort, wo unsere Zuschauer sind. Das gelingt uns, indem wir in unsere eigenen Plattformen investieren und dort unsere Zielgruppen mit passgenauen Inhalten ansprechen. Dazu gehören neben TV unsere Sender-Websites, die Sender-Apps, unsere Fan-Welten und selbstverständlich auch unsere Streaming-Plattform Joyn. Neben diesen eigenen Kanälen setzen wir auf langjährige und vertrauensvolle Partnerschaften: mit Drittplattformen wie beispielsweise der Telekom, Vodafone und HD+ oder digitalen Playern wie Waipu.tv und Zattoo sowie für Short Form-Inhalte auf YouTube oder Facebook. Zusätzlich gehen wir neue Partnerschaften ein, wie zuletzt mit Amazon Prime Channels, worüber wir neue Zielgruppen für unsere Pay TV-Sender erschließen.
Wie werden wir diesen veränderten Mediennutzungsgewohnheiten also genau gerecht?
Die Medienlandschaft hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Unsere Zielgruppen konsumieren täglich Content über verschiedene Plattformen und Endgeräte, im heimischen Wohnzimmer oder auf dem Weg zur Arbeit, mal im passiven Zuschauermodus, mal wechseln sie aktiv zwischen verschiedenen Videos oder Onlineartikeln. Das heißt für uns: Wir möchten unseren Zuschauern und Nutzern jeden Alters auch maximale Flexibilität beim Zugang zu unseren Inhalten bieten. Sie sollen sowohl lineares TV als auch unsere On-Demand-Angebote oder Highlight-Clips mit einem Klick konsumieren können. Digitale Technologien und unsere Vereinbarungen mit den Distributionsplattformen helfen uns dabei, lineare und nicht-lineare Inhalte effizient miteinander zu verbinden und auszuspielen. So können unsere Zuschauer und Nutzer auf praktisch allen relevanten Plattformen unsere TV-Sender und digitalen Produkte konsumieren. Zusätzlich können sie durch die sogenannte Instant-Restart-Funktion oder über unsere Mediatheken auf verschiedenste Inhalte aus unserem Programm zugreifen – und zwar immer genau dann, wenn sie möchten.
Welche Vorteile schafft die Distribution für die Vermarktung, nachdem nun beide Bereiche unter einem Dach agieren?
Mit unseren digitalen und linearen Distributionskanälen schaffen wir die Grundlage für die Vermarktung: Unsere Partnerschaften und eigenen Angebote sichern uns hohe Reichweiten und erschließen dabei Potenziale für digitale Vermarktungsformen wie Addressable TV – und das ist eines der wichtigsten Argumente in der Vermarktung. Zusätzlich bieten unsere Apps oder Mediatheken-Inhalte etwa auf SmartTVs weitere digitale Monetarisierungspotenziale. Durch die Verknüpfung der Distributions- mit der Windowing-Strategie im Content-Bereich sowie den Vermarktungsinitiativen greifen hier die Geschäftsbereiche nun ideal ineinander. Schließlich fragen unsere Werbekunden zunehmend nach umfassenden Gesamtkonzepten aus TV und Digital. Diese Bedürfnisse können wir so optimal erfüllen.
Thomas Wagner verantwortet in seiner Rolle als Chief Sales Officer den Vermarktungsbereich der Seven.One Entertainment Group. In dieser Position ist er insbesondere für das Agenturgeschäft zuständig. Wagner ist seit mehr als 20 Jahren Teil des Konzerns und zählt als langjähriger Geschäftsführungsvorsitzender der Seven.One Media, dem führenden Werbezeitenvermarkter audiovisueller und digitaler Medien im deutschsprachigen Raum, zu den versiertesten Experten im Sales-Business.
Die Einschränkungen der COVID-19-Pandemie haben Werbetreibende 2020 vor große Herausforderungen gestellt. Wie hat die Seven.One Entertainment Group ihre Kunden in dieser Zeit unterstützt?
Die Auswirkungen der Pandemie haben unsere Werbeeinbuchungen natürlich beeinflusst: Unsere Kunden mussten vermehrt umdisponieren. Wir haben sie dabei beraten, Kampagnen, die in ihrer geplanten Form oder Tonalität wegen des Lockdowns nicht mehr umsetzbar waren, neu zu denken – etwa durch die Neuproduktion und Anpassung von Spots. Durch die Synergien innerhalb der Gruppe konnten wir ihnen schnell passende, reichweitenstarke Lösungen anbieten. Gleichzeitig haben wir unseren Kunden noch mehr Flexibilität in der Buchung von Werbeplätzen ermöglicht. Das alles natürlich auf Basis unserer Forschungsarbeit zur gestiegenen Mediennutzung während der Corona-Pandemie. All das hat uns gut durch die Krise gebracht – und wir konnten beweisen, dass TV nach wie vor das wirksamste Werbemedium ist. Und um auch auf Distanz mit unseren Werbepartnern in Kontakt zu bleiben, haben wir neue digitale Austauschformate mit unseren Partnern auf Agentur- und Kundenseite ins Leben gerufen. Denn eines war schnell deutlich: Der noch engere Dialog mit unseren Kunden war und ist enorm wichtig!
Nichts prägt unsere Mediennutzung mehr als die Digitalisierung. Was heißt das für die Vermarktung?
TV wird immer digitaler. Wir verbinden die hohen Reichweiten unserer Sender mit dem Targeting aus der digitalen Welt. Damit machen wir die Grenzen zwischen linearen und digitalen Produkten obsolet und unsere Kunden können die Reichweiten rund um unsere TV-Formate plattformübergreifend für ihre Kampagnen nutzen. Dazu entwickeln wir innovative Werbelösungen. Wir investieren weiterhin intensiv in die Targeting-Möglichkeiten unseres Angebots und ermöglichen verstärkt programmatische Buchungen – auch im TV. Unsere CrossDevice-Bridge, die wir 2020 auf den Weg gebracht haben, macht das möglich. Damit können wir TV- und Digital-Werbekampagnen erstmals über alle Geräte hinweg aussteuern. Und vor allem: Wir heben TV als Werbemedium auf ein völlig neues Level – inklusive der Vorteile wie Reichweite und Adressierbarkeit.
Die Vergleichbarkeit von TV und Digitalwerbung ist ein Dauerbrenner in der Vermarktung. Wie schaffen Sie es, integrierte Angebote zu realisieren – und auch messbar zu machen?
Für Marketers werden hohe Reichweiten in hochwertigen Umfeldern immer wertvoller – und TV ist nach wie vor Spitzenreiter, um Endkunden schnell und wirksam zu erreichen. Denn am Ende geht es um die Wirkung. Mit unseren digitalen Angeboten schaffen wir weitere Touchpoints, holen unsere Zuschauer dort ab, wo sie sich aufhalten und schaffen so Berührungspunkte mit den Produkten unserer Kunden. Im Zuge dessen müssen wir aber natürlich auch dafür sorgen, dass diese Reichweiten vergleichbar werden. Eine Bewegtbildwährung über alle Plattformen auf Basis der etablierten Messmodelle, etwa der AGF, ist daher für den Markt und für uns ein zentrales Thema. Denn nur durch eine umfassende Reichweite über alle Kanäle hinweg, die wir zielgruppengenau vermarkten, können wir unseren Kunden zeigen, dass ihre Werbeangebote – nicht nur linear – vollständig gesehen werden. Mit dem Launch von CFlight etablieren wir gemeinsam mit Sky transparente Kriterien für Cross-Media-Kampagnen. Werbekontakte, die den CFlight-Kriterien entsprechen, erfüllen die höchsten Qualitätsstandards. So wird erstmals eine Vergleichbarkeit von crossmedialen Reichweiten möglich. All das ist die Basis für unser „Total Video“-Produkt. Unabhängig davon können wir umfassende kreative Kampagnen realisieren, die TV mit digital verbinden. Ein Beispiel dafür waren die Kampagnen, die wir im Rahmen unseres Erfolgsformats „The Masked Singer“ ausgespielt haben. Hier haben wir mit unseren Werbepartnern wie Opel über verschiedene Kanäle hinweg ein tolles Werbeumfeld geschaffen – ausgehend vom TV über digitale Fanwelten bis hin zu Social Media.